Meine erste Erinnerung an die Idee, Schriftstellerei könnte aufregend sein, geht zurück
auf mein siebtes Lebensjahr. Ich war bei meiner 17 Jahre älteren Schwester zu Besuch,
die auf Guernsey ihr Referendariat absolvierte. Ich klaute meinen Eltern „Der Medicus“
von Noah Gordon – und las während der Woche Channel Islands fast die ganze Zeit. Vor
allem die Seiten, auf denen das Liebesspiel zweier Protagonisten in einem Kornfeld recht
explizit geschildert wurde, nahm mich für das Buch ein. Ich konnte früh lesen und war
früh verdorben, scheinbar.
Mit 15 begann ich nebenbei, als Journalist für die lokale Tageszeitung meiner
Heimatstadt zu schreiben. Artikel über Rassegeflügelzüchtervereine und
Modelleisenbahnerjahreshauptversammlungen waren mein täglich Brot. Die Leute
mochten scheinbar, was ich zu Papier brachte, jedenfalls lobte man mich recht für meine
„Schreibe“. Mir gefiel das. Geschichten erzählen und dafür gelobt werden. Tolle Sache.
Nach meinem Abi und dem Zivildienst wusste ich nicht, was ich tun soll. Studieren war
der Plan, aber so recht behagte mir die Idee einer Rückkehr in schulische Strukturen
nicht. Ein erstes Semester Anglistik und Philosophie an der Humboldt Universität brach
ich nach vier Wochen ab und machte stattdessen ein Praktikum beim FOCUS Magazin.
Dort erreichte mich in einer Mittagspause die Zusage der UdK Berlin. Man hatte
tatsächlich meine Bewerbung für gut befunden.
Das Studium gestaltete sich schwierig, allerdings weniger aus disziplinären als aus
gesundheitlichen Gründen. Die Jahre zwischen 2000 und 2010 waren insgesamt nicht
gerade das, was ich im Nachhinein als „ideale Arbeitsbedingungen“ bezeichnen würde.
Samuel Beckett entsprach am ehesten meiner Stimmung, Kleist fand ich gruselig, wohl
auch, weil es ein paar wenig vorteilhafte Ähnlichkeiten in unserer Persönlichkeitsstruktur
zu geben scheint.
Max Goldt mag ich. Chuck Palahniuk. Ich mag Dürrenmatt und Shakespeare,
selbstverständlich. Wer Shakespeare nicht mag, kann irgendwie nicht richtig sein am
Theater, glaube ich. Auch wenn sie oder er wahnsinnig auf Postdramatik steht, auf
verklappte Tagebücher und sozialwissenschaftliche Habilitationsschriften. Ich kann das
gucken, aber ich bin altmodisch. Ich mag Theater, das Geschichten erzählt. Es ist das
Theater, das mich bis heute dazu zwingt, die seltsame Idee vom Autorsein nicht
aufzugeben und was Vernünftiges zu machen.
Dieses Theater will ich machen. Für dieses Theater will ich schreiben. Und ich werde es
verteidigen gegen Giessener und Hildesheimer Einflüsse, wo ich es für richtig halte.