RAKETENRAGTIME
zu Walter Buchebner (1929 – 1964)
.
in FATTYS SALOON
wenn ich am wochenende abends aus meinem republikanischen
fiebersarg steige und gestützt auf meine beispiellose skepsis
in FATTYS SALOON gehe dort meinen mißmut in ein glas scotch
entleere danke ich stets dem großen gott uncle sam
ich danke ihm daß er mir meine mitteleuropäische verlassenheit
mit dissonantem jazz versüßt original importiert wie den
freiheitskoller vom lieben guten dicken FATTY
ja wenn ich am wochenende abends in FATTYS us-boot steige
die adern vollgepumpt mit terramycin und dem bewußtsein
meiner kolonialrolle dann fühle ich mich wieder wie ein
waschechter europäer mit wahrhaft unbegrenzten möglichkeiten
die delirien heißer dixielands konkurrieren ernstlich mit
den üblichen fieberinspirationene eines abendländischen
halbintellektuellen
.
wie de gaulle an die macht gekommen ist so bin auch ich
in die literatur hineingerutscht: ein mann wurde gebraucht
gerade naiv genug um an dem großeuropäischen drama gefallen
zu finden ein mann krank genug um sich da raushalten zu müssen
und FATTYS SALOON ist eine wahre hexenküche europäischer
untergangsstimmung und das brauche ich versteht ihr!
wenn abends die wirkung des morphiums nachläßt –
.
ja wenn am wochenende abends das morphium meiner einbildung
seinen dienst versagt dann steige ich aus meinem solid gezimmerten
demokratischen alpensarg und wandere in FATTYS SALOON
unter dem sternenbanner von ginsbergs lokalrebellion halte
ich eine abschiedsrede in mühevoll selbstgebastelten versen
an die mannschaft na und dann krieg ich regelmäßig meinen
schwermutskollaps während der gute FATTY auf europäisch
us-jazz improvisiert.
.
„Ich hasse Literaturgeschichten. (…) Wen interessieren denn schon die tausend Namen, hinter denen man nichts Lebendiges spürt. Die Dichter sind ja nur als Verfasser der Werke interessanter als andere Menschen.“ notiert Walter Buchebner am 14. Jänner in sein Tagebuch. In diesem Sinne und in aller Kürze: Buchebner, 1929 in Mürzzuschlag/Steiermark geboren, dem Volkssturm und Ausgeistern des Nationalsozialismus per Desertion und in Mädchenkleidung entkommen, ab 1948 in Wien. Auf Studiumsabruch und Heirat folgen Jobs am Bau, als Monteur und Fahrdienstleiter, ab 1956 Bibliothekar einer Filiale der Wiener Büchereien, 1959 Ausbruch einer bösartigen Nierenerkrankung, die ihn 1964 in den Selbstmord treibt. Zu Lebzeiten thematisiert er als einer der ersten Dichter seiner Generation die NS-Zeit und benützt die Beatpoeten, allen voran Allen Ginsberg und Jack Kerouac, als Totemgeister und stilistische Wegweiser:
sag wohin sind gewandert die berge die aus den bärten whitmans und der
propheten wuchsen?
du hast apollinaire besucht eisenhower gesehen den jazz im bridland gehört
du hast in deinen versen marihuana geschmuggelt quer über den
unbegreiflichen kontinent, deine stirn verbrannte auf den abschuß-
rampen im feuerstrom der raketen
(aus: ginsberg wo bleibst du?)
Vor solchen Versen liegen freilich Jahre, in denen seine Bewunderung fürs Proletariat Niederschlag in Form unbedarfter Gedichte findet. Ganz ehrlich, diese plumpen Zelebrierungen der Arbeitswelt, die Buchebner ab 1951 fabriziert, lassen sich kaum lesen, geschweige denn ertragen. Zum Glück der Nachwelt reist der frankophone Buchebner im August 1960 nach Paris. Dieser Besuch zeitigt Wirkung, die körperliche Tätigkeit gräbt sich einen anderen Ausweg als altväterliche Poesie, einen, der das Körperliche beim Wort nimmt und ins Sprechen holt. Active Poesie nennt Buchebner ab 1962 sein Amalgam aus Lyrik, Leben, Widerstand: „Aktive Dichtung: Dichtung, die den Leser aggressiv anspringt, ihn selbst aggressiv macht.“ (26. April 1963). In den „Umrissen einer Definition“ hält er u.a. fest:
A.P. muss wie ein brillant geschliffener Dolch die fettleibige Nichtigkeit durchstoßen, die wie ein Panzer Staat und Religion, als die Grundelemente des Daseins in soziologischer Gebundenheit, umgibt.
A.P. ist lyrische Formulierung einer ins Geistige sublimierten und projizierten Anarchie und atheistischen Haltung.
Buchebner schreibt zwischen den Städten Wien und Paris, dort der Sehnsuchtsort und hier die widerborstige Tatsache. Mit Buchebner, lyrisch an Baudelaire und Rimbaud, Pound und Majakowski, besonders aber an Paul Valery geschult und in existenzialistischem Denken geübt, passiert in Paris etwas. Er wird vom Treiben an der Seine durchgeschüttelt, aufgelockert, er wendet sich ab von Proletariatslobgehudel, politischen Kanzeltiraden, und findet zu einer neuen Sprache, verspielter, erotischer, dreckiger. Im Vergleich zu den verstockten Versen der Prä-Paris-Phase erscheint der Dichter Buchebner nun als verschmitzter Trickster, dessen Würfel in vollster Absicht in die Vergänglichkeit klappern. Seinen Standpunkt inmitten der Friedhöfe mit Gräber berühmter Dichter und dem Straßentreiben von Montmarte und Place Pigalle definiert er hauchdünn neben der Realisierung seiner Träume:
zwei Milimeter neben Paris
ich kann die marseillaise nicht von der landkarte runterkriegen
allons, enfants de la patrie, le jour de gloire est arrivé!
In den métrosystemen klopft die rote farbe vor wärme
wie doch der sommer die stadt verändert
ach wie unvorsichtig fahren sie nur nicht nach köln
der platz ist der vergessenheit preisgegeben
in diesem moment triffft ein telegramm bei uns ein
onkel tod schreibt: deine tante
will jetzt sterben stop kehre sofort zurück stop
zwei milimeter neben paris verdunstet traurigkeit
bon jour totenkopffisch –
(aus: zwei milimeter neben paris)
Buchebner wendet sich nach seinem Paris-Besuch einer Form von Dichtung zu, die sich aus seinem unmittelbaren Erleben speist. Er festigt sich in der Position des Außenseiters und wird dank konkreter Gesellschaftskritik zum Sprecher seiner Generation. Namen wie Cafè Sport (in welchem er 1961 ein der Active Poesie als Grundlage dienendes „Manifest der Poesie“ deklamiert), Fattys Saloon oder das Cafè Hawelka erschaffen eine Topographie damaliger (literarischer) Subkultur und projizieren ein längst verschwundenes Wien aufs Papier. Diese Fixpunkte fungieren, ähnlich den Anspielungen auf zeitgenössisches Kino und Politik, als austauschbare Templates: Zeitkolorit hin oder her, die Essenz bleibt, die Dringlichkeit der Beathymnen und Vagabundengesängen, selbst wenn 2013 keiner, der halbwegs Achtung vor sich selbst und Wien hat, noch ins Hawelka geht.
Buchebner schreit seine Gegenwart an, bezichtigt und entlarvt sie der Lüge, und ist in diesem Akt nach wie vor ergreifend, auch, weil durch seine Gedichte der Tod schleicht: Bildermacht und Rhythmen sind in ihrer Überfülle ein Skalpell, um das Dasein Stück für Stück zu sezieren, im Bewusstsein des Schmerzes und der eigenen Sterblichkeit. Er heizt und feuert rücksichtslos die Metaphernschleuder an, meist funkts farbig, selten stört ein Blindgänger. Das Feuerwerk Buchebner zündet aufgrund des Rhythmus, den er in allen Spielarten beherrscht, stakkatoartig wie in wien 61 oder hymnisch wie im Langgedicht das eisenmesser. „Rhythmus ist der Pulsschlag der Dichtung. Wenn er nicht schlägt, ist das Gedicht (und der Dichter) krank.“ notiert Buchebner am 2. Jänner 1960. Der Rhythmus, synonym für Lebendigkeit, entscheidet: „Dichter sind lebende Wesen, egal, ob sie körperlich tot sind oder nicht. Das unterscheidet sie ja eben von anderen Menschen. Tote Dichter sind keine Dichter. Es gibt unzählige tote Dichter, die sich noch bester Gesundheit erfreuen und sicherlich 80 oder gar 90 Jahre alt werden.“
Die Jagd nach Takt und Wort ähnelt, wie die dahintersteckende Poetologie, der Ornithologie, Buchebners geschätztem Zeitvertreib: „Die Vogelbeobachtung hat folgenden Reiz: der beobachtete Vogel zeigt sich nur kurz, seine Erscheinung ist einmalig, man muß oft in Sekundenschnelle alle vielen Gattungen und Arten bereit haben, muß alle Möglichkeiten erfassen, alle Einzelheiten erkennen und sehen und dann schon entscheiden, worauf man besonders achten muß, um schließlich den beobacheten Vogel richtig anzusprechen.“ (19. Juni 1960). Buchebner schert sich nicht darum, den Vogel zu benennen, sondern sucht den Dialog, gleichgültig, welcher Art das Tier sein mag: „Wärme und abendrotgoldene Dächerschwingen des Vogels PARIS.“ (22. August 1964).
Trotz aller Schwärmerei birgt sich in dieser Notiz eine bekannte Gewissheit: Woanders ist das Leben besser. Ihm bleibt eine glücklichere Existenz entsagt, weil der Zweite Weltkrieg ein Loch gerissen hat, welches in den Köpfen seiner Mitmenschen noch Jahre später ausgetragen wird. Als hätte es die Verbrechen des NS-Regimes nie gegeben, übt man sich in Selbstzufriedenheit und Schöngerede. Buchebner dichtet in und aus der Nachkriegszeit, aber er schreibt auch in und aus einer Revolte, die weiterhin Gültigkeit besitzt. Sie ist das Begehren des Einzelnen nach Widerstand, in einer Zeit, die keinen Widerstand erlaubt. Vereint ergeben Wort und Rhythmus einen Mittelfinger, der den damaligen Verhältnissen entgegengereckt wurde und bis ins Jahr 2013 reicht, einem Jahr ohne Kalten Krieg oder Charles de Gaulle, aber nach wie vor aus Zellulose:
die abberufenen söhne des
wohlergehens
bilan archaique gethsemane und
checkpoint charlie pseudonyme
für anonymität
für gartenzwerge
und stilmöbel
wie die summe des bierkonsums auf
der oktoberwiese
abgesagt
(aus: zeit aus zellulose)
Während Buchebner schreibt, betteln Kriegsinvalide auf den Straßen, entscheidet sich Österreich für die Wiederbewaffnung und vormalige Nazi-Bonzen kehren auf hohe Posten der Republik zurück. Nabokovs Lolita darf im „trottelhaften Staat Österreich“ höchstens von ein paar ausgewählten Bibliothekaren gelesen werden. Der Alltag verfettet wegen Gartenzwerg, Lotto, Fernsehkasten. Man kann sich vorstellen, wie Buchebner in seinem Aufbegehren gegen die umfassende Unzulänglichkeit von Gesellschaft und privatem Kosmos 1968 explodiert wäre. Paris hätte seine Phantasien erfüllt und Wien ihm erneut Schubkraft gegeben.
Er geht durch Paris oder Wien, „100.000 Volt in den Adern“, heiß aufs Erleben zieht er Brandschneisen zwischen die beiden Pole Krankheit und Dichtung. Der seit Rimbaud und darüber hinaus durch die Lyrik geisternde Aufruf zur Selbstaufgabe und Selbstvernichtung, in den letzten Lebensjahren Buchebners wird er traurige Wahrheit. Er beginnt zu malen, sein Schaffensdrang bahnt sich einen zweiten Weg, findet andere, neue Farben. Er spricht in seiner Kunst etwas an, dass auch fünfzig Jahre später unter die Haut und in Buchebners Sinn an die Nieren geht. Im Hintergrund aber lungert, wie die Pariser Clochards, die ihm ins Auge gestochen waren, etwas, dass nicht nachvollziehbar ist: seine Krankheitsgeschichte, die persönliche Tragödie, die in den Tagebüchern als „Todesahnung“, „grenzenlose Einsamkeit“ genannt wird. Wenn ich solche Worte jetzt schreibe, wird mir übel aufgrund dieser aufgeblasenen, nichtssagenden Buchstabenwesen. Ich ahne, wie meine Einsamkeit war, ist oder sein wird. Aber ich kann nicht im Geringsten nachvollziehen, wie es dem todkranken Buchebner ergangen ist, selbst wenn seine Tagebuchnotizen als Chronologie einer Reise in das Nichts erschüttern.
Ohne die schwere Nierenerkrankung, die 1959 ausbricht und zu seinem Tod führt, ist die Dichtung Buchebners nicht vorstellbar. Jahre, bevor das Leiden ausbricht, ahnt er, was kommt: „Ich spüre eine große Gelassenheit. Ich begreife, dass mir nur noch wenige Jahre gegeben sind.“ (6. August 1957) Darmversagen, Blut im Harn, Koliken, ein Nierenstein, die Erschöpfung, das Aufraffen und Weiterschreiben, die Operation, die Namen der Schmerzmittel wie Kreuzwegsstationen: Buscopan, Rowatinex, Togal. Dank seiner Tagebücher, die er selbst als wesentlicher Teil seines literarischen Schaffens ansah, wird man lesend Zeuge eines ständigen Hastens, eines Kämpfens gegen Krankheit und Zeit. Buchebner werkt Nächte durch und erleidet Tage im Dämmerzustand der Medikamente. Er bleibt bis spätnachts in der Bibliothek, arbeitet an Gemälden, Gedichte, Manifesten, ein nocturnales Wesen:
nachts unter verwitterter reichstagsarchitektur weltkriegsreminiszenezen und
hiroshimaschwarzen uranrattenzähnen begrabe ich europa auf den
lippen spielautomaten und arkadische vergangenheit die honig-
mondlandschaften der kaiserlich-königlichen donau geborstenen
dorfglocken und ergraute weihwässer
nachts sitze ich mit dem rücken zur sacré coeur gekettet an die november-
melancholie von flamencogitarren tanzend das zerhackte gehirn im
im ns-mordwaffenmuseum auf römischen dolce-vita-leinwänden
zwischen nassers sterilen panarabischen schamlippen wunder-
wirtschaftsmartinis und bonner posthumen großdeutschland-
illusionen
nachts wenn die finsternis hochkommt rauh wie eine schlächterstimme aus
himmlers kz-baracken mit souvenirs beladen und den schrumpf-
köpfen einer verkochten judengeneration nachts wenn durch-
kappte algeriergurgeln nicht mehr träumen von anderen ufern
nachts fällt taumelnd atheistischer schnee auf europas neurotische
tennessee-williams-fluren
(aus: nachts)
Wendelin Schmidt-Dengler klassifiziert Buchebner als „Ginsberg übern Gänsehäufl“, einem stadtbekannten Badeort an der Wiener Donau. Buchebner kommt in der spärlichen Rezeption seit seinem Tod dem Provinzialismus nicht aus, die ironische Anmerkung Schmidt-Denglers, die Buchebner so nötig hat wie zu Lebzeiten das Blut in der Pisse, bleibt an ihm picken. Buchebner selbst distanziert sich von den Beats, wie zuvor von Trakl, Celan oder der Wiener Gruppe. Seiner Eigenständigkeit treu, zieht er zu diesen verwandten Geistern, die ihm eine grandiose Flucht aus der österreichisch-kleinbürgerlichen Ausweglosigkeit eröffnet haben, eine Trennlinie: „Ginsberg ist überwunden, weil ich begreife, dass seinen Visionen zu wenig Nüchternheit im Rhythmischen beschert ist. Unsere Zeit bedarf spröder, harter Rhythmik.“ (7. Mai 1963).
Im Gegensatz zu Ginsberg findet sich bei Buchebner keine Transzendenz. Buchebner ist Howl ohne Satori oder einem über und in allem schwebenden Buddhalächeln. Buchebner schreibt ein Geheul, dem der Blutgeruch nicht aus den Worten zu lüften ist. Seine Verse sind hart, traurig, spiegeln den Dichter in der biblischen Figur des Hiob, ohne jedoch vorm Leid in die Knie zu gehen. Bereits im August 1946 notiert er: „Hiob ist jene biblische Figur, die mich seit je am meisten gefesselt hat. Die unbedinge Menschlichkeit erinnert in ihrer Tiefe an Odysseus. (…) Hiob: das sind wir, du, ich, jeder, direkt angesprochen, kein Umweg, kein Symbol, das sind wir in unserer tragischen Existenz, umittelbar erfaßt, in aller Eindeutigkeit.“ Er findet Frieden im Akzeptieren des eigenen Todes als Aspekt seines Selbst: „Die letzte Wahrheit: Die erste Wahrheit: Ja zu sagen zu mir, zu meiner grauenvollen Gegebenheit. Ich sage: ja. Ich stehe zu ihr.“ (Paris, 27. August 1964). In den Tagebüchern wechseln die Ansichten zu Gedichten, Malerei, zur Ehefrau, aber die Gelassenheit in Anbetracht des Untergangs bleibt. In seiner Definition der Active Poesie wird dem Leid eine bedeutende Rolle zuerkannt:
Nur das Leid widerfährt dem Menschen in so abgrundtiefer Ursprünglichkeit, daß sich daraus eine Grunderfahrung formt, die das biologische Monstrum Mensch erst zu einem Menschen macht. A.P. Ist aber keineswegs eine Apotheose des Leids, sondern nur eine in Aktion umgeesetzte Erfahrung, ine nur dem Menschen mögliche Erfahrung und eine nur vom Menschen in eine heilende Handlung umsetzbare Erfahrung. Damit ist freilich keiner „Heilslehre“ der Boden bereitet, denn das Leid entbehrt jeder mystischen Glorie in der A.P. Es ist ein kleiner Kunstgriff des Menschen, um aus dem Chaos eine Welt zu schaffen. Ganz natürlich. Irdisch. Nicht im mindesten transzedent.
Am 21. August 1964 bricht er zu seiner finalen Reise auf, nach Paris, wohin sonst. Als einen der letzten Tagebucheinträgen hält Buchebner fest, wie er im Hotelzmmer den Liebesakt eines Pärchens mithört. In sein Martyrium aus Medikamenten, Tatenlosigkeit, aufflammenden Lebenswillen dringt ihr Stöhnen, das sich zu Stimmen, Worten formt. Es ist wie eine Erinnerung daran, dass dieses Leibliche, Ekstatische, Zärtliche sein lebenslanges Suchen durchzieht und in der Lyrik weitereruptiert. Wir sind nicht nur in die Welt gevögelt, sondern auch in deren Tod, um Werner Schwab zu paraphrasieren, und das Schreiben ist eine Einladung zum Flug. Buchebner sendet seine Tagebücher nach Wien – und selbst nach seinem Tod wird man ihn betrügen, aus Liebe vielleicht, die Aufzeichnungen werden von seiner Mutter und ihm nahestehenden Menschen gekürzt, verstümmelt, aus Angst, Eitelkeit oder um ihn in seiner Schonungslosigkeit davor zu bewahren, sich posthum bloßzustellen. Wenige Tage später, am 4. September 1964, nach mehr als fünf Jahren Krankheit, richtet sich Walter Buchebner mithilfe einer Pistole selbst.
ich die fiebereule
ich die fiebereule von wien ich heiße willkommen die stadt
ich heiße willkommen ihr spiegelbild in meinen schneeweißen augen
ich werfe doppelten schatten über sie wie in schwarzes glas
die cafés voll ätzender atmosphäre ich streife herab des nachts
vom 3. bezirk getaucht in schrilles feuer und krächze ich
heiße willkommen die melancholie die ihre flügel schärft über wien
ich die fiebereule kehre ein in dich stadt erster bezirk
ich voll fieber aus finsterer müdigketi und schneeweißer erregung
versorgt mit medikamenten und zynischer hoffnungslosigkeit mit
krallen heiße ich willkommen die kameraden der literatur ich rauche
vom flugplatz eingeschmuggelte zigaretten viceroy hinter versteinertem
antlitz okopenko der einsame schmetterling schnurre fern der berliner
ich die fierbereule ohne m. p. In einer stadt aus glas treibend in
schneeweißen morphiumträumen das eisgekühlte nachtgesicht schmerzhaften
ich heiße willkommen die schmutzigen künste ihre stählerne magie
meine kehle ist heiser ich heiße willkommen die stadt willkommen das
abendrot das aufsteigt ängstlich über die aschendächer des schlafs
ich die fiebereule von wien der stadt voll heiserer lüfte ich singe
dein schlummerlied dasewige wiegenlied von betäubender sentimentalität
ich singe mit heiserer stimme willkommen ich die fiebereule ich die
krallen voll fieber das ich schüttle über dich schneeweiße stadt
Gesammelt erschienen die Gedichte Walter Buchebners erst nach dessen Tod. So 1969 die von ihm in Grundzügen selbst geplante und von Alois Vogel herausgegebene zeit aus zellulose. Vogel kümmerte sich auch um den 1974 erschienen Band die weiße wildnis. Empfohlen sei die von Daniela Strigl verantwortete, Gedichte, Manifeste und Tagebücher umfassende Publikation ich die eule von wien, 2012 in zweiter Auflage in der edition atelier, Wien, erschienen, samt Auswahl von Buchebners bildnerischem Werk.