MUSIK DER DICHTUNG 2 : SOPHIE REYER : VOM SPRECHEN UND ZIRPEN

In Musik der Dichtung by Sophie Reyer5 Comments

Sophie Reyer

Vom Sprechen und Zirpen

 

Die Ursprünge

Wenn man sich den Ursprung des Begriffes Lyrik ansieht, so kommt der Begriff selbst von dem Wort “Lyra“, was soviel bedeutet wie “Leier”. Demnach war Lyrik in ihren Anfängen bereits Wort in Verbindung mit Klang und Rhythmus. Das bedeutet, in gewissem Sinne ist die Wurzel der Poesie schon „interdisziplinär“, wenn man so will.

Wie aber sieht das Ganze heute aus? Seit Anfang des Jahrhunderts besteht eine Tendenz, nach und nach auch andere Medien in das Textliche mit einzubeziehen. Man denke nur an den Boom der Videokunst sowie der Live-Elektronik in den sechziger Jahren. Interdisziplinarität birgt, wie viele herausragende Ergebnisse zeigen, eine große Chance, sie kann jedoch auch ungenaue Arbeit am Material “deckeln”.

Analysiert man, wie bestimmte Kunstschaffende- etwa die “Wiener Gruppe” in Wien oder “Oulipo” in Frankreich- mit Wort und Text umgegangen sind, so fällt auf, dass es immer kompositorische Prinzipien waren, die auf das vorhandene Sprachmaterial angewandt wurden. Strukturelle Herangehensweisen von Kompositiontechniken lassen sich, wie wir also spätestens seit diesen Bewegungen wissen, wunderbar auf die Sprache übertragen: Wie baue ich Reihen, Listen, Varianten? Wie gestalte ich eine Art des Zusammenhang fernab semantischer Strukturen?
Aber auch die klangliche Ebene ist eine, die jenseits der Form berücksichtigt werden muss. Demnach hören Lyriker ihre Texte meist innerlich, hören sie sich wieder und wieder durch, trimmen die sprachlichen Einheiten und stöpseln sie aneinander, so dass die einzelnen Worte lautlich wie auch rhythmisch zusammen passen und sich gleichsam in die Großform einschmiegen. Als problematisch kann es sich heraus stellen, wenn der Schreibende sich zum Sklaven der Technik, die er sich selbst auferlegt hat, macht. Dann wirken die Textergebnise zu „gerade“, zu „gebaut“, zu „konstruiert“.

In meiner eigenen Herangehensweise bewege ich mich immer zwischen Spracharbeit und Intuition. Es ist ein ständiges Oszillieren. Oft passiert es, dass ich einen ersten Wurf aus dem Bauch – bzw. eher dem inneren Ohr- heraus mache und diesen als Steinbruch für eine (Sprach)Komposition nehme, ihn dann in ein strukturelles Gewand einfüge. Oder aber umgekehrt: Ich erlege mir selbst eine Form (zum Beispiel das Anagramm, die Liste, den Zweizeiler et cetera) auf und versuche dann das, was herauskommt, aus dem Korsett seiner Form zu befreien. Die Arbeit bleibt immer eine Gratwanderung. Das Ergebnis ist nie befriedigend. Man befindet sich auf einer Reise.

 

Wort und Ton

Wie sieht das Ganze nun aber aus, wenn die Ebene der Musik sich zu dem vorhandenen Sprachmaterial dazu gesellt? Auch hier stellt sich die Frage von Form und Freiheit. Inwieweit wird ein Text aufgedröselt, wenn er vertont wird? Inwieweit gibt der Text an sich schon die klangliche und zeitliche Abfolge der Musik vor? Wann arbeitet man für, und wann gegen den Text? Und: kommen nicht auch, wenn man “gegen” den Text arbeitet, ihn quasi in seine lautlichen und phonetischen Einzelstücke zersprargelt- hier wird z.B. aus dem Zirpen eine Repitition der Konsonantenabfolge “zrp” heraus geschält oder aber eine schrille Intonation des I- Lautes hervor gehoben- spannende Ergebnisse heraus?

Mit diesen Fragen setze ich mich mit meinen beiden Gruppen “Tonverbrechung” und “Elesemond” auseinander. Die Antworten lassen sich jeweils nur in konkreten Stücken geben; jeder Text ist ein Individuum, der nach seiner eigenen Umsetzung verlangt, die je nach Zeit, Raum und Ort immer anders sein wird. Darin liegen Gefahr und Potential. Das Scheitern ist in dieser Herangehensweise mit inbegriffen.

 

 

Tonverbrechung

„Tonverbrechung“ ist ein neues Quartett, das den Dialog sucht zwischen Wort und Ton, zwischen Poesie und Improvisation. Die Lyrik und Prosa der Autorin und Komponistin Sophie Reyer werden mit akustischen und elektronischen Klängen improvisatorisch vertont. Zudem werden die Texte dafür dem Moment entsprechend zusammengesetzt und kommentiert. Das Programm entwickelt sich gelegentlich auch in die Richtung eines „trashigen Songs“ oder klangpoetisch kommentierten Märchens. Tonverbrechung beschäftigt sich sehr gezielt mit der Auslotung des Grenzbereiches zwischen aktueller Sprache und Musik, versucht ein harmonisches Miteinander dieser beiden Kunstformen zu erzeugen, die jeder Gattung ihre Freiheit lässt.
Cello: Elisabeth Fügemann
Electronics: Lukas Truniger
Guitar: Nicola Hein
Spoken Word: Sophie Reyer

 

Elesemond

Das Duo „Elesemond“, bestehend aus der Cellistin Elisabeth Fügemann und der Autorin/Komponistin Sophie Reyer versucht neue Verbindungen zwischen den Ebenen Klang und Wort herzustellen. So wird sowohl mit tonalen Elementen und Song-Strukturen als auch mit den Klangräumen des Free Jazz und der klassischen neuen Musik gespielt. Der Einsatz von Toys, präparierten Instrumenten und Geräuschklängen darf dabei genau so wenig fehlen wie das Kokettieren mit performativen Elementen.

Comments

  1. Seit gestern findet sich ein Teaser im Netz, der Joachim Paul auf Vordenker so einläutet: „In Wortspielhalle zeigen Sophie Reyer und A.J. Weigoni eindrucksvoll, was Sprache in Zeiten der “berechnenden und vorausrechnend-überwachenden künstlichen binären Intelligenz” (ein Widerspruch in sich, wir wissen darum ;-)), also in Zeiten der binären – O-Ton – “Dialektik der Aufzehrung” (- ich schmeiß mich weg -) an Innovationspotential dennoch – oder gerade drum – zu bieten hat, Stichwort “Heterophone Stimmgewalt”.: http://www.vordenker.de/weigoni/wortspielhalle.htm

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